Vom gesellschaftlich-politischen Sprachgebrauch einmal abgesehen, gibt es freie Liebe, kann Liebe frei sein? Liebe ist dem Grundwesen nach eine gebende und keine nehmende Eigenschaft. Natürlich kann das Attribut des Menschen höchstes Gut, die Liebe, nicht fassen. Auch variiert sie von Person zu Person und Fall zu Fall. Freie Liebe gibt es nicht, denn sie ist eine Gebende, sie, die Liebe. Und damit haben wir ihr zugleich ein Attribut angehängt, nämlich ein weibliches und nähern uns damit dem Kern der Sache, des Lebens.
Es ist nämlich zunächst die weibliche Liebe, die gibt, neun Monate lang und dann in Vollendung. Die Liebe als Schöpferin, als weibliche Schöpferin. Ist sie aber frei und nicht gebunden, gebunden über die Nabelschnur und Herzschlag für Herzschlag! Freie Liebe gibt es nicht, sie braucht immer ein Gegenüber, sonst mutiert sie zum Narzissten – und der ist, wie sollte es auch anders sein, männlich. Es wäre also eine Verleugnung der eigenen Natur, des eigenen Wesens, wenn die Liebe nur so vor sich hin existierte.
Freie Liebe eine Illusion?
Nun wird uns mit dem Begriff „freie Liebe“ – und das bereits seit längerem – die Illusion von einer unverbindlichen Beziehung bei wechselnden Partnern und Geschlechtern gegeben. Doch hier herrscht ein fundamentales Missverständnis vor. Sexuelles Begehren und das Ausleben desselben ist noch lange keine Liebe. Liebe begehrt nach mehr als körperlicher Vereinigung. Sie verlang nach Herz und Seele, nach Sinn und Verstand –kurzum: nach dem ganzen Menschen. Freie Liebe gibt es nicht, sie ist eine Gebende und Nehmende.
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„Die Kunst des Lebens“
Zu lieben heißt, für den/die andere Person da zu sein. Liebe lebt von Vertrauen und Hingabe gleichermaßen. Natürlich ist es die Anmut und Schönheit, die unser Herz und unsere Sinne anrührt. Die wahre Schönheit aber ist eine verborgene. Es ist die in uns wohnende Persönlichkeit, unser ‚Ich‘, unser ganzes Mensch-Sein. Wir geben also immer ein Stück von uns selbst, denn freie Liebe gibt es nicht. Anderseits sind wir ebenso die Nehmenden und Beschenkten. Nicht nur geteilte Freude vervielfacht sich, gleiches gilt auch für die Liebe, für die echte Liebe.
Und so ganz hält unsere These einem Faktencheck nicht stand. Denn Liebe wird immer frei gegeben, kann nie erzwungen werden. Insofern ist etwas anderes als freie Liebe gar nicht denkbar. Liebe fragt häufig auch nicht nach dem Preis. Sie, die Liebe, „trägt alles, glaubt und hofft alles und sie hält allem stand“, heißt es im Hohelied der Liebe. Die wahre Liebe ist also ein unzertrennbares Band, das durch nichts zerstört werden kann. So schließt das Hohelied auch mit der Aussage: „Die Liebe hört niemals auf.“ Jedoch: eine freie Liebe gibt es nicht, eine Liebe, die im Unverbindlichen bleibt.
Wahrheit und die Lebensenergie
Lässt man den Text ein wenig auf sich wirken, so wird deutlich, dass die Liebe immer ein mit sich selbst ringender Prozess ist. Sie sucht immer das Gute und erträgt geduldig die Rückschläge dorthin. Sie ist von Güte geprägt und wird nicht eifern, prahlen oder sich gegenüber anderen hervorheben. Und noch ein Wesensmerkmal bringt die Liebe mit sich: „Sie freut sich mit der Wahrheit.“ Denn Wahrheit ist etwas durch und durch Gesundes und gibt uns Lebensenergie. Und Lüge ist in einer Beziehung wie ein Krebsgeschwür, das sich unheilvoll ausbreitet.
Freie Liebe gibt es nicht, denn sie ist sich selbst und der Wahrheit verpflichtet. Und das wiederum ist ein fortschreitender Prozess. Jeder Mensch, der in einer langjährigen Beziehung lebt, hat diese Erfahrung für sich machen müssen, machen dürfen. Liebe findet sich immer wieder neu und das ist das Wunderbare daran.
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Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf.
Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen.
Sie trägt das Böse nicht nach, freut sich nicht über das Unrecht, sondern an der Wahrheit.
Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.