Vom ‘Heil Sein’ sprechen wir in unserem Alltag wenig, am ehesten wenn es um die Funktion der Dinge geht. Etwas Kaputtes, also etwas Nicht-funktionierendes beeinträchtigt unser Leben viel mehr, vor allem wenn wir im täglichen Gebrauch darauf angewiesen sind. ‘Heil Sein’, also die Funktionalität der Dinge, setzten wir als gegeben voraus, ansonsten entledigen wir uns ihrer.
Menschen sehnen sich nach Heilung
Wenn es um uns Menschen als Ganzes geht, liegen die Dinge nicht so einfach. ‘Heil Sein’ ist eines unser Grundbedürfnisse und wir implizieren damit die Abwesenheit von Krankheit. Gleichzeitig ist in uns das Wissen, dass ‘Heil sein’ mehr ist als das, wir brauchen Heilung.
Was ist mit all unserer inneren Unruhe, unseren Sehnsüchten und Wünschen, unserem immer wieder erlebten Mangel – trotz bester Gesundheit? Wir hören auch häufig von „innerer Zerrissenheit“ und sind damit auch nahe dem Grundgedanken dieses Blocks, nämlich Gedankensplitter, ohne dass wir dabei ‘das Ganze’ als solches schwer greifen können.
Heil sein betrifft den ganzen Menschen
Heil-Sein nach Körper, Geist und Seele, spannt den Bogen dann schon deutlich weiter und führt uns in den Bereich des Spirituellen, in den Glauben hinein, fragt nach unserer Psyche. Der Begriff leitet sich vom altgriechischen Wort für Seele ab.
Es sei die Summe all unserer Wahrnehmungen wie unser Denken und unserer Gefühle. Im Wechselspiel beeinflussen sie unser Leben, unser körperliches Befinden, unser Bewusstsein und den Geist. Kurzum, die Seele sind wir als Person. Das umfasst auch das Heil sein insgesamt.
Wir empfinden den Mangel
Um nicht getrieben zu sein von unserer seelischen, gedanklichen und empfundenen Wirklichkeit, müssen wir Erwachsen werden, lernen die Dinge für uns einzuordnen und erlebbar zu machen, uns auf einen schöpferischen Prozess einlassen. Als starke und gesunde Menschen schaffen wir das weitgehend, lernen auch mit unseren Defiziten zu leben und brauchen doch Heilung. Heil sein wünscht sich jeder. Wir empfinden weiter den Mangel in uns, vor allem dann, wenn wir uns von der Autobahn des Alltags entfernen.
Meditation für die Heilung
Wir schärfen damit unsere Wahrnehmung auf uns selbst gerichtet. Im positiven Fall verstärken wir unser Bewusstsein und sind achtsamer uns selbst und unserer Umwelt gegenüber, achten sogar auf unsere Atmung.
Viele gehen diesen Weg in der Meditation, versuchen gleichzeitig ihren Geist zu leeren und ihn mit einer Konzentration auf wesentliche Dinge zu stärken. Heil sein ist auch hier die Zielvorgabe.
Häufig mag dies hilfreich sein, wenn sich in unserem Kopf, in unserem Umfeld und Leben zu viele ‘Störgeräusche’ breit gemacht haben, gilt es zunächst erst einmal zu sich selbst zu finden, selbst zu heilen.
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Befreiung im christlichen Weg
Einen anderen Weg zeigt der christliche Glaube, den des aktiven Gebets. Auch hier hilft uns ein Zustand der inneren Ruhe. Darüber hinaus ist es ein kreatives Suchen und Finden von Gott und geht von einem seelischen in einen geistigen Prozess über. Jesus Christus sichert dabei laut dem Matthäus-Evangelium (Kap. 7) zu: “Suchet, so werdet Ihr finden, bittet, so wird Euch gegeben. Klopfet an, so wird Euch aufgetan“. Es setzt voraus, dass Gott ist und dass er sich finden lässt. Für uns öffnet dies eine neue Dimension des ‘Heil Seins’, nämlich des ‘Heilig Sein’.
Heilig sein bedeutet Heil zu sein
Wenige Menschen verbinden die beiden Begriffe ‘Heil Sein’ und ‘Heilig Sein’, denn unsere Vorstellung von ‘Heilig Sein’ ist jenseits der gelebten Realität. ‘Heilig Sein’ ordnen wir als etwas völlig Abgehobenes ein und damit habe es mit dem realen Leben nichts zu tun.
Auch deshalb werden Heilige meist mit einem hellen Schein um ihren Kopf dargestellt, und wer möchte sich im Alltag so bewegen? Nein, ‘Heilig Sein’ ist nichts für das wahre Leben, urteilen die meisten Menschen.
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Eine Berufung für uns Menschen
Ist das aber wirklich so? Ist der Ruf, die Berufung des ‘Heilig Sein’, in Wahrheit nicht ein echtes ‘Heil Sein’, ein Einswerden mit unserer Lebensbestimmung? Können wir den Geist der Bergpredigt, die den meisten Menschen bekannt sein dürfte, anders leben als durch ein heiliges Leben? Brauchen wir Menschen in all unserer Selbstsucht und Irrwegen nicht ein Heil-werden in Gott? Ein Heil-werden unserer Seele, unseres Lebens? Es würde bedeuten, dass wir in der Heiligkeit Gottes unser Heil finden, denn er nimmt uns mit hinein, öffnet die Tür dorthin und zeigt den Weg.
Heil sein – der Anspruch des Lebens
Diese Botschaft gibt uns der Apostel Petrus mit auf den Lebensweg. „Seid heilig, denn ich bin heilig,“ spricht Gott der Herr. Es ist sein Anspruch des Lebens an uns. Dabei wendet er sich an Menschen die ‘in Christus’ sind, also eine lebendige Glaubensbeziehung zu ihm hin kultivieren. Heil sein ist auch hier ein zentrales Thema.
Er bezeichnet sie als Auserwählte, die durch den (Heiligen) Geist geheiligt sind. In diesem Zusammenhang wird das griechische Wort ‘sotiría’ (soterja) gebraucht. Es hat dabei zweierlei Bedeutungen, nämlich: Heilung oder Genesung sowie Rettung oder Befreiung.
Auf der Suche nach dem Seelenfrieden
Und damit schließt sich der Kreis hin zum ‘Heil sein’. Um es zu erreichen brauchen wir zunächst Heilung für unsere verletzte Seele. Und Verletzungen haben wir im Leben alle erlebt, bereits vom Kindesalter an, was Worte in uns bewirken.
Denken wir nur an Zurückweisung oder Ausgrenzung im Kindergarten oder in der Schule. Und das setzt sich in unserem Leben fort, auch wenn wir lernen mögen damit umzugehen.
Dennoch: wir sind verletzte Seelen auf der Suche nach unserem Seelenfrieden – und damit ist nicht der Tod gemeint, sondern im Gegenteil das Leben selbst. Wir alle suchen es, ein erfülltes und glückliches Leben, wollen heil sein.
Ruhe finden in Gott
Im christlichen Sinne brauchen wir dafür ‘Errettung’, die nach Math. 11,28 in Jesus Christus zu finden ist. „Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch abmüht und belastet seid (verletzte Seelen)! Bei mir werdet ihr Ruhe finden“, verspricht er.
Wir Menschen brauchen Heilung für unsere verletzten Seelen. Der Ruf nach Heiligkeit ist sehr alt und bereits im Alten Testament fest verankert. Hier steht das Heil sein ebenfalls im Zentrum.
Das Gute für uns finden
Es wird im Zusammenhang mit den zehn Geboten gesehen und auch später im Levitikus (3. Buch Mose). Es heißt dort: „Denn Ich bin der G’tt (Adonai), der euch aus Ägypten geführt hat, dass Ich euer G’tt (Elohim) sei.
Darum sollt ihr heilig sein, denn Ich bin heilig.“ Im Umkehrschluss bedeutet es, sich „von dem Bösen“ abzuwenden. Also von Dingen, die uns selbst und unseren Mitmenschen schaden. Heil sein ist die Abwesenheit dessen.
Befreiung von Abhängigkeiten
Die Berufung zur Heiligkeit ergibt sich hier aus der Erwählung und Berufung zum Volk Gottes sowie aus der Errettung und Befreiung von der Knechtschaft in Ägypten. Für uns ein Vergleich mit viel Symbolkraft.
Wir sollen uns von falschen, uns schadenden Abhängigkeiten befreien. Die Botschaft dabei ist einfach und eindeutig: „Seid heilig, denn ich bin heilig.“ Dann steht dem Heil sein nichts im Wege.
Diese Forderung begleitet den Menschen bereits von Anbeginn, schildert uns das Buch Genesis. „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ Heil sein war von Anfang an geplant.
Der innere Kern der Dinge
„Im Bilde Gottes“ bezieht sich dabei nicht auf Äußerlichkeiten, sondern das innere Wesen. Adam und Eva waren heilige Menschen und für sie war der Garten Eden und die Ewigkeit vorgesehen. Heil sein war für sie normal.
Dabei ging es um eine perfekte Welt und Umwelt mit völlig gesunden (perfekten) Menschen, denen das Wort Alter oder Krankheit gänzlich unbekannt war. Davon haben wir uns Jahrtausende weit entfernt und doch bleibt es unsere Bestimmung, das Heil sein.
Vielleicht ist all unser Sehnen und Verlangen ein Rest vom Garten Eden, nachdem unsere Herzen verlangen. Die Sehnsucht nach einem innigen Miteinander mit einem liebenden und schaffenden Gott, dem das Heil sein der Normalzustand ist.
In Harmonie mit ihm und mit uns selbst leben. So viel heile Welt ist freilich illusorisch, blicken wir in die Zeitgeschichte und in unser eigenes Leben. Die Sehnsucht aber bleibt und um ‘Heil zu werden’ brauchen wir ‘Heiligung’. Und dies ist ein Weg vieler kleiner Schritte, bis wir das heil sein erleben.
Unser Leben als Ganzes verstehen
Paulus etwa erinnert die Thessalonischer an die Anfänge ihres Glaubens. Zurück zu den Wurzeln, zurück zu dem, was uns heilig und wichtig ist. Er fordert sie zu einem heiligen Leben auf. 1.Th.4,3: „Das ist Gottes Wille, eure Heiligung.“ Liegt darin das Geheimnis beim Heil sein?
Dabei spart er Einzelheiten nicht aus, wie etwa „den Umgang mit der Frau in heiliger und achtungsvoller Art“, 2000 Jahre bevor wir das Wort Emanzipation und Gleichberechtigung entdeckt haben. „Heiligung“ erfasst das ganze Leben.
Es beginnt im ganz persönlichen Umfeld, bei unserem Seelenfrieden, strahlt in unseren Lebensalltag aus und damit auch auf unser Umfeld, auf andere Menschen. Dem Heil sein kommen wir dann einen Schritt näher.
Bei meiner Recherche zu dem Thema begegnete ich dem Wort „Heil-Erziehungs-Pfleger“. Es scheint mir symptomatisch für diesen Text zu sein. In und für die Heiligung und Heilung brauchen wir Erziehung, wir durchlaufen einen Lernprozess.
Darüber hinaus bedarf es der Pflege, also eines sorgfältigen Umganges mit uns selbst und unserer Umwelt. Es ist unser Weg hin zum Heil sein.
Lesen Sie dazu eine packende Geschichte: