Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz?

Nach einer längeren Pause melde ich mich mit Gedankensplitter wieder zurück. Dabei ist der politische Einstieg nicht wirklich gewollt, doch unsere Zeit hat ihre eigene Dynamik. Und wenn die Medien ganz offen über eine Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz berichten, ist es höchste Zeit die Gedanken kreisen zu lassen. Wie Kollege Boris Reitschuster (unten) anmerkt, ist dies insbesondere im Hinblick auf die dunklen Jahre deutscher Geschichte mehr als unangebracht. Also:

Machen sich Personen potenziell strafbar?

Foto: Benjaminkerber auf Pixabay

Im Verfassungsbericht 2022, am 20. Juni 2023 vorgestellt, rechnet das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 10.200 Personen innerhalb der AfD dem „rechtsextremistischen Personenpotenzial“ zu, und das sei rund ein Drittel der Parteimitglieder. Aufhorchen lässt dabei die Formulierung des BVD, nämlich ‚Personenpotential‘, also Einzelpersonen. Bei ihnen wird eine rechtsextreme Grundhaltung vermutet. Dennoch berichtet Welt.de in einem Atemzug darüber, „wie diese Gruppe agiert“, die ja keine geschlossene Gruppe ist, sondern eben ein ‚Personenpotential‘. Eine Verurteilung auf Verdacht und/oder Vorrat. So klingt es nach Verschwörung und das ist offensichtlich vom BfV so beabsichtigt.

Nancy Faeser und Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz

Auch wolle Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung des Berichts in der Bundespressekonferenz keine direkte Wahlempfehlung geben, betont auf Nachfrage aber, dass bei einem Vergleich der Parteien, die Probleme im Land zu lösen (die aktuellen politischen und wirtschaftlichen), die AfD im Vergleich zu allen anderen Parteien „ganz hinten“ stehen würde.

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Klare Ansage und natürlich keine Wahlempfehlung der Bundesinnenministerin. Und doch ganz klar: im Brennglas der Ermittlungen steht der politische Wettbewerb.

Die Bestrebungen einer Partei, einer ganzen Partei?!

Behördenchef Thomas Haldenwang gibt sich damit aber nicht zufrieden, er legt nach, setzt zur Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz an. Demnach habe der Verfassungsschutz bei der Einstufung der AfD als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus „hinreichend große Bestrebungen innerhalb der Partei“ beobachtet, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richteten. Eine klare Ansage, aber natürlich keine Wahlempfehlung, mitnichten. Immerhin liegt die alternative Partei in der Wählergunst gleichauf mit der Regierungspartei, der auch die Innenministerin angehört, die ihrerseits wiederum die Dienstherrin von Haldenwang ist.

Die Demokratie und Meinungsfreiheit leidet

Unsere freiheitlich demokratische Grundordnung hat die letzten Jahre Corona bedingt bereits schwer gelitten. Doch jetzt und in der Vergangenheit würden Teile der AfD „Hass und Hetze gegen alle Formen von Minderheiten, insbesondere Migrantinnen und Migranten verbreiten“, so Haldenwang. Nein, natürlich keine Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz, offensichtlich aber wolle man aufklären und verunsicherten Wählern Entscheidungshilfen geben.

Wer definiert „Hass und Hetze“

Wie viele Personen diese ‚Parteiteile‘ umfassen, sagte er zwar nicht, doch im Zusammenhang mit dem Bericht seines Hauses wurde die Zahl von einem Drittel der Mitglieder genannt. Zufall oder Manipulation? Die Frage stellt sich ebenso, wie eng der Begriff „Hass und Hetze“ gefasst wird. In Coronazeiten reichte es aus, das gedruckte Grundgesetz öffentlich in die Höhe zu halten, um „Hass und Hetze“ zu verbreiten. Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz?

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Es reichte bereits aus, sich in den sozialen Medien kritisch zu äußern, um der Zensur zum Opfer zu fallen, ein neues Netzwerkdurchsetzungsgesetz bereitete 2021 endgültig den Boden dafür. Es reichte auch aus, unliebsame Meinungen mit ‚Nazi‘ auszublenden, ja sogar einer Kontaktschuld wird unterstellt. Heute werden Hass und Hetze angeführt und die Corona-Zeit nicht wirklich aufgearbeitet. Weder von der Politik, noch von den Gerichten. Selbst ein Spruch, auf ein Schaufenster gesprüht, wie: „Kauft nicht bei Ungeimpften“, war zu jener Zeit – also vor zwei Jahren – möglich.

Kritik am System ist unerwünscht

Ist Kritik an der Asylpolitik der letzten acht Jahre aber als „Hass und Hetze“ gegen Migranten zu verurteilen? Oder werden kritische Stimmen zum Schweigen gebracht? Zudem, so Haldenwang, „seien Teile der AFD stark von Moskau beeinflusst“ erklärt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Und ‚Moskau‘ ist derzeit der Feind, mit dem sich ‚der Westen‘ aktuell in einem heißen Krieg befindet. Also auch hier wird die alternative Partei in eine Ecke mit dem Aufdruck „nicht wählbar“ gestellt. Sie widerspricht dem Narrativ des Krieges aus westlicher Sicht und Berichterstattung. Aber nein, eine Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz ist nicht ausgesprochen.

Die Mehrheit und die Geschichte prägt ein Volk

Spannend wird es, wenn das BfV in Verlautbarungen der AfD und ihrer Repräsentanten ein „ethnisch-kulturell geprägtes Volksverständnis“ entdeckt. Also nicht pauschal in der AFD, sondern in (welchen?) Verlautbarungen von (welchen?) Repräsentanten? Egal – es wird pauschal verdächtigt. Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz? Unstrittig aber dürfte sein, dass „wir Deutschen, die schon länger hier leben“, ein ethisch kulturell geprägtes Volksverständnis haben.

Dabei sehen ‚wir Deutsche‘ es differenziert. Das Volksverständnis ist in Sachsen anderes ausgeprägt, als in Hamburg oder Bayern. Menschen die hier leben, möglicherweise seit Generationen, besitzen ihre eigene Identität, ebenso wie etwa ein Franzose, Engländer oder Italiener. Es ist banal, diese Selbstverständlichkeit in besonderer Weise betonen zu müssen oder gar vom BFV für ein ethnisch-kulturell geprägtes Volksverständnis verdächtigt zu werden. Was also sollen diese Anschuldigung?

Ein Europa der Nationen

Es sei „Ausdruck und Widerspruch zur Offenheit des Volksbegriffs des Grundgesetzes“ interpretiert der BfV. Ja, vor dem Gesetz sollten alle Menschen gleich sein, ohne Frage. Und dennoch sind wir verschiedener Prägung und Persönlichkeit. Ist das jetzt ungesetzlich? Weiter klagt der BfV an und leistet damit natürlich keine Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz:

Jene, die schon länger hier leben

„Wiederholt werde zwischen Staatsbürgern deutscher und nicht deutscher Abstammung unterschieden.“ Darf man was ist, nicht beim Namen nennen? Verwerflich wird es, wenn es als Grundlage dient, andere Menschen zu diskriminieren und sich so jenseits von Gesetz und Menschlichkeit stellt. Diskriminiert aber werden vielfach jene, „die schon länger hier leben“.

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Sie haben die Pflicht sich auszuweisen, ihre Steuern zu zahlen und selbstverständlich müssen sie korrekte Angaben machen, etwas dem Alter betreffend und dies auch per Geburtsurkunde nachweisen. Also jene, die schon länger hier leben.

Der Staat steht in der Pflicht

Es bleibt wohl den Juristen vorbehalten, wie eine „Offenheit des Volksbegriffs des Grundgesetzes“ zu interpretieren ist. Doch als Nicht-Jurist dürfte jedem Bürger klar sein, was unter kulturellen Wurzeln und kultureller Prägung zu verstehen ist. Weiter klagt das BfV an, dass „insbesondere Asylsuchenden und Migranten aus islamisch geprägten Herkunftsländern oftmals pauschal eine kulturelle Inkompatibilität und ein ausgeprägter Hang zur Kriminalität unterstellt werde“. Natürlich keine Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz.

Eine pauschale Unterstellung ist dabei ebenso abwegig, wie ein Verleugnen der damit verbundenen Probleme. Glücklicherweise gibt es viele Asylsuchenden und Migranten, die sich gut integrieren, doch es gibt eben auch „die Anderen“. Jene, die ihr Staatsverständnis aus fremdsprachigen Sendern und Kulturen sowie aus Predigten in den Moscheen beziehen. Der Staat ist in beiden Fällen gefordert und politische Kritik ist in diesem Findungsprozess wesentlicher Teil unserer Demokratie.

Geschlossen gegen die AFD

Doch die Welt-Reportage setzt zum Schluss noch eins obenauf: „Festzustellen seien außerdem Verunglimpfungen politischer Gegner sowie des Staates und seiner Repräsentanten, die „nicht eine Auseinandersetzung in der Sache, sondern eine generelle Herabwürdigung und Verächtlichmachung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel“ hätten. Was anderes machen die Parteien geschlossen jenseits der AFD als keine Auseinandersetzung in der Sache. Vor was fürchten sich die Altparteien? Sind sie auf Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz angewiesen?

Es ist schon was dran, dass das politische System in Deutschland mit harten Lockdowns gegen die Bürger, gegen die Wirtschaft und gegen den Handel arbeiteten. Ebenso wenn Sie mit einem „Heizungsgesetz“ alle älteren Hausbesitzer in die Verzweiflung treiben. Oder mit überzogenen Energiepreisen durch einen vorschnellen Ausstieg aus der Atomenergie vor allem die einkommensschwachen Gruppen treffen.

Alles wird unternommen, ja die etablierten Parteien wehren sich verzweifelt, gegen eine erstarkende AFD, sperren ihre Vertreter aus, verweigern jegliche Zusammenarbeit und Verunglimpfungen den politischer Gegner, wie es der Verfassungsschutz hier eindrucksvoll vorlebt.

Ist es wirklich so verkehrt,

  • gegen eine unkontrollierte Einwanderung (Asyl) aufzustehen,
  • gegen eine Beugung des Grundgesetzes mit Corona-Verordnungen,
  • gegen eine Überfremdung in deutschen Schulen,
  • gegen eine Gender-Ideologie von links-grünen Eliten,
  • gegen junge, und teils gut bezahlte Idealisten, die die öffentliche Ordnung massiv stören,
  • gegen eine Klima-Ideologie, die bei jeder Hitzeperiode einen Weltuntergang predigt,
  • gegen die Demontage deutscher Wirtschaft und Spitzentechnologie,
  • gegen eine immer stärkere Übertragung staatlicher Rechte nach Brüssel,
  • gegen die Abschaltung sicherer und bestens funktionierender Atomkraftwerke,
  • gegen ein völlig ausuferndes Heizungsgesetz, zumindest dessen Entwürfe,
  • gegen ….

Das „Dagegen sein“ bei so wichtigen, unserer aller Leben betreffenden Bereichen, ist ein ehrenwertes politisches Unterfangen und so lässt sich der Erfolg einer AFD leicht erklären. Zugleich zeigt es aber die Schwäche der etablierten Parteien, die irgendwie die Bodenhaftung verloren zu haben scheinen. Den Bundesverfassungsschutz aber auf einen unliebsamen politischen Gegner ‚loszulassen‘ ist schon ein starkes Stück deutscher Geschichte und die entsprechende Kommentierung durch den Behördenleiter und der Ministerin Nancy Faeser (SPD) obendrauf. Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz?

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Es ist auch ein starkes Stück deutscher Mediengeschichte, darüber unkritisch und regierungskonform zu berichten. Seit der Corona-Pandemie aber wird dem nicht geneigten Leser viel zugemutet.

Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz

Kollege Reitschuster (de) kommentiert es so: „Der Chef des Inlandsgeheimdienstes ist damit in die Rolle des Wahlkampf-Werbers für die „ganz große Koalition“ von Union, SPD, Grünen, FDP und ‚Linke‘ geschlüpft. Genau in die Rolle, in die ein Geheimdienstchef in Deutschland nach den Lehren aus dem Nationalsozialismus nie mehr schlüpfen sollte.“

Und zur Klarstellung setzt Reitschuster noch eins drauf: „Niemand muss der AfD beitreten oder sie wählen. Niemand muss sie mögen mit den völkischen Fahnenschwingern, mit Ausländerhassern und Putin-Fanboys. Aber das ist nicht DIE AFD in Summe, das ist ein kleiner unappetitlicher Teil. Und ich würde mir wünschen, dass die Partei die Kraft hätte, sich konsequent von diesen Gestalten zu trennen.“

Ein Findungsprozess in der AFD?

Nun, die AFD ist wie sie ist, kurzfristig gesehen. Ob sie eine interne Veränderung herbeiführen kann ist ungewiss. Doch Focus-Online zumindest ist sich sicher: „Wer die aktuelle Ausgabe von „Maischberger“ gesehen hat (21.06.23), wird die AfD kaum mehr als Alternative für Deutschland sehen können.“ Damit reiht sich das Online-Magazin bestens in den Empörungsrufen der Mainstream-Medien ein. Doch der Reihe nach:

Tino Chrupalla in der Schusslinie

Auf konkrete Anfrage der Moderatorin Sandra Maischberger antwortet AFD-Fraktionssprecher Tino Chrupalla, dass Deutschland auch während des Krieges weiterhin russisches Gas beziehen sollte. Zitat: „Absolut. Günstiges Gas war unser Standortvorteil“. Sicher: eine bedenkliche Antwort, doch eine legitime auf eine sachliche Frage. Bei genauerem Hinsehen kauft Deutschland aktuell nach wie vor über Umwege Gas aus Russland – teueres Gas. Das Statement von Chrupalla hingegen aber sei unakzeptabel. Zudem braucht es eine Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz.

Geht der Politiker zu weit?!

Und Tino Chrupalla wäre nicht Fraktionssprecher, legte er nicht nach:
„Laden Sie doch den russischen Botschafter in Ihre Sendung ein“, fordert er von Maischberger, „die Berichterstattung im deutschen Fernsehen ist einseitig.“ Maischberger scheint geschockt, Chrupalla mache sich zum Anwalt von Putin, ist zu lesen. Er sieht eine weitere Eskalation des Krieges kritisch und unterstellt der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann „Kriegstreiberei“.

„Wer profitiert denn von diesem Krieg?“, fragt Chrupalla und würde damit – in der Interpretation von Focus-Online – die Antwort in Richtung Westen schieben. Und wieder fragt die Moderatorin nach: „Solle die Ukraine denn kapitulieren?“ Fast schon diplomatisch äußert der AFD-Sprecher: „Gesichtswahrung für beide Seiten sollte das Ziel sein.“ Allerdings habe er ’nuschelnd‘ nachgeschoben, „das hätte man 1945 auch gesagt.“ Hat er es? Wahlhilfe durch den Verfassungsschutz?

Einen Weg aus dem Krieg finden

Damit aber gehe er erneut viel zu weit – eben unwählbar. Man könne 1945 nicht mit heute vergleichen. Ehrlich? Krieg ist und bleibt Krieg. Und eine Beendigung eines heißen Krieges soll dann bitte wie zustande kommen? Durch eine Kapitulation Russlands? Ist das die favorisierte Strategie? Weiterhin viele Tausende Tote und unsägliches Leid über Jahre hinweg? Nein, ich habe auch keine Lösung. Es darf aber keine Denkverbote geben.

Hier geht’s zum Welt-Artikel:

https://www.welt.de/politik/deutschland/article245967488/AfD-Teile-der-AfD-sehr-stark-von-Moskau-beeinflusst-Das-sollten-Waehler-im-Hinterkopf-haben.html

Hier geht’s zum Focus.Artikel:

https://www.focus.de/kultur/kino_tv/tv-kolumne-maischberger-afd-chef-schwadroniert-in-der-ard-moderatorin-maischberger-versagt_id_197061534.html